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Rebellion der Tiere

Schülerinnen und Schüler der Musicalklassen 5/6 des Gymnasiums Stolzenau und der S1 der Helen-Keller-Schule begeistern mit tierisch gutem Musical „Tikko Tiger und die Tiere der Madame“

Immer wieder wird kontrovers diskutiert, ob das Betreiben von Zoos heute noch vertretbar ist. Wissenschaftlich geführte Zoos sehen in diesen einen Beitrag zu Artenschutz und Vermittlung von Wissen und bieten den Tieren bestmögliche Lebensbedingungen; Gegner behaupten hingegen, dass die Tiere in Gefangenschaft verkümmern würden, abnorme Verhaltensweisen entwickeln würden und die inzwischen eher als Vergnügungspark angelegten Zoos ein falsches Bild von Natur vermitteln würden. Der Privatzoo, der im von den Schülerinnen und Schülern der Musicalklassen 5/6 und der S1 der Helen-Keller-Schule aufgeführten Musical „Tikko Tiger und die Tiere der Madame“ von der versnobten titelgebenden Madame betrieben wird, wird sicherlich aber von keinem Diskussionspartner als geeignet angesehen werden. In dem Musical aus der Feder von Gerhard A. Meyer, Ulrike Weiler und Gerhard Weiler wird vielmehr gezeigt, wie die aus ihrem natürlichen Lebensraum gerissenen Tiere (und Pflanzen) mit viel Pfiff gegen ihre Gefangenschaft zu rebellieren beginnen und um ihre Freiheit kämpfen – auch wenn Freiheit nicht für jeden bedeutet, dass er sich in der Wildnis besser aufgehoben sieht. Die Zuschauerinnen und Zuschauer durften diesem klugen und humorvoll umgesetzten Abenteuer mit Spannung folgen. Nicht zuletzt aufgrund der eingängigen Songs, unterhaltsamen Choreographien und dem spielfreudigen Ensemble verdienten sich die jungen Akteure am Ende zu Recht begeisterten Applaus.
In der heißen Savanne ist das Leben von Trägheit bestimmt, was besonders die furchtsamen Glockenblumen (bezaubernd: Ina Tews Lampe, Johanna Müller, Francise-Josephine Carl, Yara Mues), die dort wachsen, so gerne haben. Sie möchten jede Aufregung vermeiden. Dies ist ihnen aber nicht vergönnt, denn eines Tages kriegen sie Besuch von der berüchtigten Madame (furchteinflößend: Alicia Hofmann), die dafür bekannt ist, jedes Tier und jede Planze, die ihr gefallen, mit sich zu nehmen. Zusammen mit ihrem ihr treu ergebenen Diener Mortimer (mit perfekter britischer Haltung: Otis Eli Schwan) entdeckt sie mit einiger Faszination den vor sich hindösenden Tiger Tikko (kraftvoll: Pia Ehlke), der eine hervorragende Ergänzung für ihren Privatzoo ist. Diesen unterhält sie, um vor Gästen wie der resoluten Frau Obermaier (energetisch: Carina Jasmin Wetzel), dem grobschlächtigen Herrn Bauer (köstlich: Rohan Ayo), der oberflächlichen Frau Unterweber (präsent: Laura Buchholz) und der überkandidelten Influencerin Fräulein Goldich (einnehmend: Romy Abi Samra) anzugeben. Tikko Tiger, der gar nicht weiß, wie ihm geschieht, wird von den anderen Tieren der Madame, die schon länger in ihrem Zoo leben, über sein Schicksal aufgeklärt. Der alte Marabu (liebenswert: Lara Kruse), der plappernde Papagei Pedro (erinnerungswürdig: Erik Birk Müller-Färber) und die quirligen Frettchen (witzig: Frida Lübber, Hannah Becker, Aileen Amalia Lemke, Emma Tandetzky) haben sich allerdings schon so gut in ihr Leben in Gefangenschaft eingelebt, dass sie nichts daran ändern möchten. Auch der mit Tikko neu hinzugekommene Bommelbusch (stark: Emmy Ziesmer), der seine Lebensaufgabe darin sieht, zu lernen mit seinen Bommeln zu trommeln, kann seinen neuen Lebensumständen nicht viel Schlechtes abgewinnen. Tikko, der sich aber nicht mit seiner Gefangenschaft abfinden will und deshalb mit der Madame und Mortimer stark aneinandergerät, kriegt erst Unterstützung als die Hausherrin ihr neuestes Opfer bringt – das ihren Eltern entrissene Elefantenkind Ella (herzzerreißend: Oleksandra Melnychuk). Mit Hilfe der listigen Moskitos Sirri und Surri (rasant: Sophie Leiker und Emilia Charlotte Meier) schmieden sie einen Plan, wie sie der Madame und ihrem Butler entkommen können. Dieser wird aber aufgrund des ohne Nachdenkens redenden Pedros nicht so leicht wie erhofft, sodass Tikko schon bald das gleiche Schicksal wie seinem Vorgänger, dem Leoparden Leo, droht, der mittlerweile als Jacke von der immer mehr ihr wahres Gesicht zeigenden Madame getragen wird…
Unter der leichtfüßigen und frischen Regie von Elisabeth Lathwesen und Willem-Alexander Rode begeisterten die jungen Darstellerinnen und Darsteller mit spielerischer Freude und viel Ausdrucksvermögen das Publikum. Sie wussten auf ganzer Linie mit ihren sängerischen und darstellerischen Fähigkeiten zu beeindrucken. Die eingängigen und anspruchsvollen Lieder waren von den Musiklehrern Christiane Sprick und Raphael Munk einstudiert worden. Stimmgewaltig wurden die Solisten vom Chor, bestehend aus der Musicalklasse 5b des Gymnasiums Stolzenau und der S1 der Helen-Keller-Schule, unterstützt. Die Schülerinnen und Schüler der Musicalklasse 6b wiederum glänzten nicht nur schauspielerisch und sängerisch mit Solopartien auf der Bühne, sondern überzeugten auch mit stimmungsvollen Choreographien. Die Band, bestehend aus Mathias Goedecke (Keyboards), Marlene Helmerking (Querflöte), Lea Häsemeier (Klarinette und Saxophon), Nisa Öztürk (Klarinette), Josefine Hecht (Glockenspiel und Marimbaphon) und Enno Brümmer (Schlagzeug) begleitete den Gesang professionell. Währenddessen hatten die engagierten Mitglieder der Technik-AG des Gymnasiums (Leitung: Christiane Sprick) alle Hände voll zu tun, um mit Licht- und Tontechnik die richtige Atmosphäre zu schaffen und die Sing- und Sprechstimmen zu verstärken, was ihnen mit Finesse und vielfältigen Effekten hervorragend gelang.
Das spannende Stück wirkte letztlich auch durch die wunderschöne Dekoration, die unter anderem die S1 der Helen-Keller-Schule unter der Leitung von Simone Bollhorst, Silke Corus und Madlen Behnke kongenial angefertigt hat. Die Kooperation der beiden Schulen beim alljährlichen Musical-Projekt bleibt ein verlässlicher und fruchtbarer Baustein gelebter Inklusion. Nicht zuletzt gebührt dem Förderverein des Gymnasiums Stolzenau wie immer großer Dank, weil sich ohne dessen finanzielle Unterstützung Projekte dieser Größenordnung nicht realisieren ließen.
Im Mittelpunkt standen aber natürlich die beeindruckenden Leistungen der Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Stolzenau und der Helen-Keller-Schule. Dass diese auch außerhalb der Bühne gefördert wurden, ist besonders schön. Denn auch die Arbeit an den beeindruckenden Plakatentwürfen unter der Leitung von Elena Brümmer, die in einer Galerie zu bewundern waren, war ein wichtiger Baustein zum Gelingen. Auch wenn einer solchen Inszenierung viele Stunden harter Arbeit aller Beteiligten vorausgehen, ist eine gelungene Aufführung wie diese doch die schönste Belohnung. Alle beteiligten Schülerinnen und Schüler können zudem davon profitieren, hier auf einzigartige Weise gemeinsam lernen zu dürfen und über sich selbst hinauszuwachsen.